Review/Produkttest: „Kind“

Seit gut 20 Monaten haben der Mann und ich jetzt das Produkt „Kind“ in Betrieb – es ist an der Zeit für eine ausführliche Review [so sagt man als Blogger].

Es muss wohl im Dezember 2014 gewesen sein, als der Mann und ich mit dem Kooperationspartner „Wahres Leben“ übereingekommen sind, am Langzeittest des oben genannten Produkts teilzunehmen.

Modell „Doppelkind“.

Im Zuge der Auslieferung stellten wir dann mit Überraschung fest, dass man uns für die Advanced-Reihe vorgesehen und uns mit dem Modell „Doppelkind“ bedacht hatte. Zustellung und Unboxing [auch das ist Blogger-Vokabular, ich muss mich ein wenig dem Genre anpassen] verliefen planmäßig und fristgerecht im vereinbarten Zeitraum. Im Lieferumfang enthalten waren zwei Kinder der Kategorie „männlich“ aus dem normalen Gewichts- und Größenbereich. Das war während der späteren Lieferphase für die angehende Mutter vor allem körperlich anstrengend. Den Mann wird es mental mitgenommen haben, da er die weiblichen Launen der Natur kompensieren musste. Zum Beispiel mit der Beschaffung immenser Mengen Speiseeis. [Aus verhältnismäßig zuverlässiger Quelle wurde uns das Gerücht zugetragen, dass ein großer amerikanischer Eiscreme-Hersteller sowie ein Wassereis-Produzent im Anschluss an meine Schwangerschaft ihre Werke erweitern konnten.].

Jede Menge Updates notwendig

Uns erreichten zwei Testmodelle, die über einen relativ langen Zeitraum hinweg im Zweieinhalb-Stunden-Takt mit Milch zu befüllen waren, welche sieben Monate lang in eigener Produktion gewonnen werden konnte. Bereits kurz nach der Inbetriebnahme stellten wir fest, das lediglich rudimentäre Software mitgeliefert worden war. Längere Zeit am Stück schlafen oder mehr als fünf Minuten ohne elterlichen Körperkontakt zu verweilen sind etwa Features, die erst bei [sehr viel] späteren Updates aufgespielt worden sind. Die Programm-Aktualisierungen laufen allerdings stets vollautomatisch und müssen nicht von den Betreibern manuell vorgenommen werden. Eigenständige Fortbewegung oder Nahrungsaufnahme sind ebenfalls Zusatzleistungen, die nicht im Lieferumfang enthalten sind. Für einen gewissen elterlichen Obolus an Schweiß und Tränen sind diese allerdings bereits innerhalb der ersten exuteralen 18 Betriebsmonate zu erwerben gewesen.

Spezielles Equipment zur eigenständigen Nahrungszerkleinerung sind im Preis inbegriffen, werden vom Kind jedoch erst stückweise in einem individuellen Zeitraum installiert [Achtung, dies kann unter erhöhter Lautstärkeproduktion insbesondere während der Nächte erfolgen!]. Des Weiteren sei zu erwähnen, dass das Zubehör „Zähne“ vor allem bei Kleinkindern nicht besonders leicht zu warten ist. Wir raten Eltern, die eine Anschaffung von „Kind“ in Erwägung ziehen, sich frühzeitig ein abwechslungsreiches Programm würdeloser Kaspereien zur Ablenkung während des Reinigungsvorgangs anzutrainieren. Möglich ist hier beispielsweise die pantomimische und lautmalerische Nachahmung eines brüllenden Löwen, um die Kaufwerkzeuge und deren Installationsleiste in die passende Wartungsposition zu bringen.

Nicht sauber, aber witzig.

Ein unbedingt empfehlenswertes Zubehör zum Modell „Kind“ ist eine Kaffeemaschine. Zur Aufrechterhaltung des mütterlichen  Nervensystems sollten zudem stets größere Mengen Schokolade oder schokoladenhaltige Produkte verfügbar sein. Auf elektronische Geräte mit Weckfunktion, Bücher ohne 98-prozentigen Bildanteil, Ekelgefühle sowie komplexere Gedankengänge jedweder Art hingegen können Eltern meiner Erfahrung nach mindestens 20 Monate lang verzichten. Ich werde diesen Text aktualisieren, sollte sich an diesem Zustand etwas verändert haben.
Quasi unverzichtbar sind zudem helfende Hände, am besten in so hoher Stückzahl wie verfügbar. Denn wenn die eigenen ermüdeten Arme quasi nur noch in Erwägung ziehen, das Produkt „Kind“ für eine Weile in einen schalldichten Wandschrank zu sperren, können diese Hände einschreiten und frisch und unverbraucht noch 127 Stapelwürfeltürme bauen oder Bilderbücher durchblättern. Angeblich wurde uns zusätzlich auch das Modul „Nerven wie Drahtseile“ in zweifacher Ausführung geliefert. Der Mann und ich sind uns allerdings leider nicht mehr sicher, ob wir diese nicht beim Auspacken des Produkts verlegt haben.

Danke, Opa, für dich.

 

Die Inbetriebnahme von „Kind“ kann im Übrigen auch zuhause erfolgen. Aufgrund der ungewöhnlichen Stückzahl des Produkts und dessen Anordnung in der uteralen Verpackung haben wir uns allerdings für die erstmalige Nutzung auf einer Entbindungsstation eingefunden. Ein Widerrufsrecht sowie Probeläufe sind vom Hersteller nicht vorgesehen. Auch Betriebsanleitungen waren nicht im Advanced-Package inbegriffen. Hier empfiehlt sich neben der Empirie der Kontakt und Austausch mit anderen Nutzern des Modells „Kind“/“Familie“. Vielerorts gibt es analoge Support-Foren wie Krabbel- oder Selbsthilfe- Pekip-Gruppen. Unaufgeforderten Hinweisen Außenstehender mangelt es leider oft an Realitätstauglichkeit, so dass diese getrost außer Acht gelassen werden können.

Nicht gekannte Glücksgefühle

Nach intensiver Erprobung der uns zugestellten Kinder komme ich zu dem Schluss, dass sie durchaus empfehlenswert sind. Sie helfen dem Erwachsenen Anwender, sich auf wesentliche Dinge zu fokussieren [Aufrechterhaltung der eigenen Vitalfunktionen, rudimentäre Körperhygiene etc.] sowie unerwartete und zuvor nicht gekannte Glücks- und Liebesgefühle zu verspüren. Die Ausführung „Doppelkind“ beinhaltet zudem ein großes Maß an Unterhaltung, wenn die Produkte bereits einige Zeit in Betrieb sind und beginnen, miteinander zu interagieren. Menschen, die sehr großen Wert auf Sauberkeit, Ausgeruhtheit, Stille oder Selbstbestimmung legen, sollten eine Anschaffung von „Kind“ überdenken, da diese Punkte über einen längeren Zeitraum nicht mehr vom Leben gewährleistet werden können. Hier empfiehlt sich möglicherweise die Erprobung der Artikel „Neffe/Nichte“, „Patenkind“ oder „Rehpinscher“/“Hauskatze“.

18 Kommentare Gib deinen ab

  1. Elbzwillinge sagt:

    Ich glaube das ist der beste Artikel, den ich je von dir gelesen habe 🙂 Liebe Grüße von der ebenfalls bekommenen Ausführung Elbzwillinge 😀

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  2. E sagt:

    Super geschrieben!
    Dass das „Modell Doppelkind“ die sprachliche Ausdrucksfähigkeit negativ beeinflussen könnte, ist damit widerlegt!

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  3. Janina sagt:

    „Unaufgeforderten Hinweisen Außenstehender“… 😂
    Da war mein größter Lacher…. Und beim Zähneputz-Animationsprogramm. Das haben wir nämlich gerade völlig erfolglos hinter uns gebracht. Aber ich nehme den Löwen-Tipp mit und werde berichten. 😉
    Danke für die Erhellung meines Abends!

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    1. doppelkinder sagt:

      Wir gucken gerade dazu immer das YouTube-Video zum Kinderlied „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“😂. Damit verrate ich zwar all meine Vorsätze von früher, Kleinkinder nicht vor dem iPad zu parken, aber die drei Minuten ersparen mir jede Menge Theater 😂.

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  4. ideenkind sagt:

    Genial! Ich liege mit meiner Einzel-Ausführung stillend im Bett und musste mich zusammen reißen um nicht laut los zu prusten. You made my day!

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    1. doppelkinder sagt:

      😂 Dankeschön! Ich hoffe, es ist nicht wachgeworden!

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  5. Alice sagt:

    Meeeega, Ehemann, dem vorgelesen wurde, klatscht lachend Applaus und ich tippe mit links und streichele mit rechts das Produkt „Katze“. Das schreit zuweilen zwar auch lautstark nach Futter, ist darüber hinaus aber etwas pflegeleichter als „Kind“. Schläft nämlich bis zu 22 Stunden am Tag.

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    1. doppelkinder sagt:

      Ein Traum! 😂😂😂

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  6. Lisa sagt:

    Was soll man dazu schreiben, ausser wie üblich, brüllend komisch. Wie liebe ich es deinen Blog zu lesen!

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    1. doppelkinder sagt:

      Ach, Dankeschön! 😊

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  7. Nou sagt:

    Hallo Juli, ich mag Deine Texte sehr. Es tut gut, nicht alleine durch die hellen und dunklen Tage zu taumeln. Wir haben das Produkt übrigens auch vor gut 20 Monaten erhalten. Unseres ist die Variante „Doppelgeschlecht“. Und unsere Zweitgeborenen haben (fast) den gleichen Namen. Ich freue mich schon auf den nächsten Text….

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    1. doppelkinder sagt:

      Das ist ja witzig! Alles Liebe für dich und deine Doppelkinder!!!

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  8. AT sagt:

    Wir testen das Produkt „Doppelkind“ nun seit 10 Wochen und es ist beruhigend, dass es noch Gleichgesinnte gibt, die nach 20 Monaten noch nicht den Sinn für Humor verloren haben. Das macht Hoffnung. Danke Dir dafür

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    1. doppelkinder sagt:

      Oooooh, so klein! Alles Gute! …und: Alles wird! Man gewöhnt sich an den Wahnsinn und er wird…erträglicher…😀

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